Rahmenabkommen: Die Kosten der Verzögerung

von Thomas Cottier

Der Bundesrat hat weitere Verhandlungen zum Rahmenabkommen mit der EU aufs Eis gelegt (siehe Interview mit Karin Keller Sutter in der NZZ). Die Agenda wird innenpolitisch durch die Abstimmung vom 17. Mai zur Kündigung der Freizügigkeit bestimmt und durch die Notwendigkeit, eine breite Koalition gegen die Initiative sicherzustellen. Die Gewerkschaften nutzen die Lage geschickt, anderweitige Forderungen durchzusetzen, die mit Lohnschutz im Entsenderecht wenig zu tun haben.

Die EU Kommission erwartet nach der Abstimmung eine baldige Antwort (soon), allerdings ohne Zeitangabe. Der Bundesrat will sich dabei erneut Zeit lassen, derweil sich der Reformstau der Bilateralen verstärkt. Er nimmt die damit verbundenen Nachteile und Verzögerungen in vielen Bereichen in Kauf: fehlende Börsenäquivalenz, ausgesetzte Anerkennung von Produkteprüfungen der Medizinaltechnik (MRA), uneinheitliche phytosanitarische Standards im Landwirtschaftsbereich (SPS), ungeregelter Zugang zu epidemiologischen Daten und Prävention (Gesundheitsabkommen), reduzierter Zugang zu Forschungsprogrammen (Horizon 2020), fehlende Absicherung der Energieversorgung (Stromabkommen); fehlender Einbezug in der europäischen Datenspeicherung (Digital Economy), sowie die längst fällige Aufdatierung des Freihandelsabkommens und der Einbezug der Dienstleistungen.

Noch unklar sind die Auswirkungen des Green Deal der EU in den Bereichen Verkehr, Energie und Landwirtschaft auf die Schweiz als Drittland. Sicher ist aber, dass sie ohne unterzeichnetes Rahmenabkommen schlechte Karten hat. Bund und Kantone werden nicht an den jetzt anlaufenden Vorarbeiten beteiligt sein und sich einmal mehr auf autonomen Nachvollzug ohne Markzugangsrechte und damit eine Schadensbegrenzung beschränken müssen. Ob sie damit ihre eigenen Klimaziele erreichen kann, ist mehr als fraglich. Zuviel steht auf dem Spiel.

In Tat und Wahrheit hat die Schweiz nur wenig Zeit. Es ist daher vordringlich, dass das Rahmenabkommen bald nach der Abstimmung von 17. Mai 2020 unterzeichnet wird und die dafür erforderlichen Erklärungen zu den umstrittenen Bereichen bereitliegen und heute ausgehandelt werden. Nur so wird verhindert, dass die Schweiz in wichtigen Bereichen der Rechtsentwicklung erneut den Zug verpasst. Nur so kann der für die Zusammenarbeit erforderliche Goodwill der EU Mitgliedstaaten und das nötige Vertrauen geschaffen werden. Beides ist unabdingbar für die Wahrung wichtiger Landesinteressen. Der Fahrplan des Bundesrates muss dies berücksichtigen.

13.02.2020