08.06.2020
“Europe is there, strong, standing tall“. So die Worte von Ratspräsident Charles Michel nach Abschluss des Gipfels vom 17.-21. Juli 2020. Die Zahlen des Corona-Pakets (neben dem 7-Jahres Budget von 1074 Mia €) sind beeindruckend: 390 Mia à fonds perdu Beiträge (Grants) und 360 Mia Darlehen. Pro Kopf ergibt dies eine Summe von rund 1460 €. Entscheidend und neu ist, dass die Kommission erstmals EU-weite Anleihen aufnehmen kann. Die Mutualisierung der Schulden ist ein erster Schritt in die Fiskalunion und eine Entlastung der Europäischen Zentralbank. Viele sehen darin ein Hamiltonsches Moment: Die Übernahme der Kriegsschulden der Südstaaten 1790 bildete eine wesentliche Grundlage des neuen Bundessstaates und einer eigenständigen Finanzpolitik. Soweit ist es in Europa nicht, aber der Satz, dass Krisen die Union stärken, hat sich einmal mehr bewahrheitet.
Und wie reagiert die Schweiz als Zaungast darauf, in hohem Masse auf stabile Verhältnisse in den Nachbarstaaten angewiesen? Eine Verlautbarung der Regierung lässt sich nicht finden; eine Beteiligung am Paket inmitten des Binnenmarktes schon gar nicht. Die NZZ gefällt sich einmal mehr darin, das politische Spektrum Deutschlands rechts der CDU/CSU zu bedienen („Die EU sucht ihren Daseinszweck“, Leitartikel vom 25.7.2020). Abschätzige und kritische Kommentare finden sich in den Leserspalten. All das, nachdem das Corona-Hilfspaket des Bundesrates im Umfang von 60 Mia (rund 7‘000 Fr pro Einwohner) weitum begrüsst wurde. Man misst nicht mit gleichen Ellen und ist hierzulande von Vorurteilen gegenüber der Union geprägt. Nicht erstaunlich, dass das das Verhältnis mit der Schweiz angespannt bleibt. Mit der Mutualisierung der Unionsschulden ist der Abstand und das Gefälle zum Drittstaat in den Alpen diesen Sommer nochmals grösser geworden.
Thomas Cottier
Präsident ASE