COVID-19: Europäische Solidarität

  1. April 2020

Die Pandemie hat verständlicherweise vorerst den Rückzug ins Réduit bewirkt. Bund und Kantone sind um ihre Einwohnerinnen und Einwohner besorgt; die operative Versorgung und Betreuung findet lokal und in den Spitälern in den Kantonen statt. Die zwischenkantonale Hilfe läuft erst an; der Föderalismus bewirkt unterschiedliche Modalitäten. Der Bund koordiniert und regelt den Lockdown. Er schliesst die Grenzen gegen die Zuwanderung und stellt mit einem eindrücklichen Programm die wirtschaftliche Unterstützung Betroffener sicher. Das Bild ist das Gleiche in ganz Europa; das Schwergewicht liegt bei den Nationalstaaten und ihren Gebietskörperschaften. Viele halten hier die EU für unnötig und nutzlos.

So wenig wie der Bund eigene Spitäler führt, so wenig betreibt die EU Spitäler. Ihre Aufgaben liegen anderswo: in der Aufrechterhaltung des für die Versorgung zentralen Binnenmarktes und in der finanziellen Absicherung gegen die Krise. Wie der Bund arbeitet auch die EU an einem grossen Hilfspaket gegen die wirtschaftlichen Verwerfungen der Krise. Im European Stability Mechanism (ESM) stehen 410 Mia € bereit. Das EU-Parlament mobilisiert 27 Mia €. Umstritten bleibt wegen der Haftung die Herausgabe von Corona-Bonds; die Niederlande schlagen stattdessen einen Fonds von 10-20 Mia € vor. Die drohende Vertiefung des EU-Röstigrabens zwischen Nord und Süd ist mit den Epizentren Italien und Spanien erkannt. Die European League of Economic Cooperation ELEC, der auch die ASE angehört, ruft den Europäischen Rat und damit die nationalen Politikerinnen und Politiker auf, das Réduit zu verlassen und auf einander zuzugehen. Dazu gehört auch die gegenseitige Übernahme von Patientinnen und Patienten zur Betreuung in Intensivbetten.

Die Schweiz muss sich an dieser europäischen Solidarität engagieren. Sie muss sich in geeigneter Form an den Stützungsmassnahmen der EU beteiligen. Sie muss im Rahmen ihrer freien Kapazitäten vermehrt bedürftige Patientinnen und Patienten aus der Nachbarschaft aufnehmen. Ein Anfang ist gemacht, aber viel mehr ist möglich. Nicht nur aus Solidarität, sondern auch aus eigenen Interessen, um vor der Geschichte Bestand zu haben. Wir wollen keine Rückkehr zur Politik des vollen Bootes. Traurig zu lesen, dass heute keine elternlosen Kinder aus den Flüchtlingslagern Griechenlands mehr aufgenommen werden. Das Recht auf Asyl wird in der humanitären Schweiz ausgesetzt. Auch das muss sich ändern. Es hat Platz für diese Menschen, auch in der Krise. Die Soldaten an den Grenzen müssen in den Dienst der europäischen Solidarität und nicht der Abschottung gestellt werden.

Thomas Cottier

Präsident ASE und ELEC Schweiz

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