News_495x400

Thomas Cottier: « Abschied von der Neutralität »

Thomas Cottier* ruft in seinem persönlichen Beitrag die Geschichte der Neutralität in Erinnerung und stellt sich auf den Standpunkt, dass sie heute ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann für die  Sicherung des Friedens in Europa und der Verteidigung der Demokratie. Sie hat zur Isolation der Schweiz in Europa beigetragen. Der Abschied von der Neutralität schafft seiner Meinung  neue und bessere Voraussetzungen nicht nur für die Sicherheit des Landes, sondern auch für die Gestaltung des Verhältnisses zur europäischen Integration.

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Hermann Hesse, Stufen, 4. Mai 1941

 

Geburt in Uneinigkeit und Schwäche

Die alte Eidgenossenschaft trat bis in die Anfänge des 16. Jahrhunderts in der Wahrung ihrer Interessen offensiv auf. Sie drängte Habsburg in seine Schranken und die Stadtorte Bern, Zürich und Luzern und Uri erwarben erhebliche Gebietsgewinne. In den Schlachten von Murten, Grandson und Nancy besiegelten die Eidgenossen das Ende Burgunds. Mit der Auflösung dieses Puffers zwischen Frankreich und Habsburg wurden die Grundlagen für spätere europäische Konflikte bis ins 20. Jahrhundert gelegt. Machiavelli anerkennt in Il Principe die in Italien gefürchtete militärische Macht eidgenössischer Orte, die nicht nur als Söldnerheere das Geschehen beeinflusst haben, sondern als Orte die Süderweiterung ennet dem Gotthard in Oberitalien vorantrieben und die Wehrfähigkeit auch kommunal-republikanischer Gemeinwesen unter Beweis stellten. Gleichzeitig zeigten sich Schwächen in der Uneinigkeit. Die Schlacht von Marignano wurde 1515 mitunter verloren, weil der französische König vorgängig mit Bern, Fribourg und Solothurn einen separaten Frieden abgeschlossen hatte, der die Militärallianz schwächte. Dieser Sonderfriede und die Niederlage legten die Grundlage für den Friedensvertrag von 1516 mit der Eidgenossenschaft und den Allianzvertrag von 1521. Er brachte in der Folge eine starke Bindung Berns und der weiteren Orte – mit Ausnahme von Zürich –  an Frankreich. Dies führte zu neuen Spannungen und Schwächen innerhalb der Eidgenossenschaft. Die fehlende Einheit der Eidgenossenschaft zwang sie fortan zu einer Neutralitätspolitik, die gleichzeitig als Geschäftsmodell die Grundlage für den Export von Solddiensten an die Höfe Europas diente. Neutralitätspolitik entstand somit aus Uneinigkeit, innerer Schwäche, Geschäftssinn und der Unmöglichkeit, alle in einem armen Lande zu ernähren und ihnen gute Lebenschancen zu bieten. Sie entsprach damals auch den Interessen der Fürstenhäuser Europas. Stecket den Zuun nicht zu wyt, lautete fortan die Devise von Niklaus von der Flue. Sie wird noch heute bemüht.

Im 18. Jahrhundert vermochte die Neutralitätspolitik der Orte den Angriffen des revolutionären Frankreichs nicht zu widerstehen. Der Wiener Kongress von 1815 verpflichtete die Eidgenossenschaft in Form einer Anerkennung zur immerwährenden bewaffneten Neutralität; dies ohne vorgängige Zustimmung der Tagsatzung. Das Territorium der Schweiz wurde im Westen und Norden arrondiert, um eine Verteidigung gegenüber Frankreich sicherzustellen. Aus diesem Grunde kamen Genf, Neuenburg und das Wallis sowie der Nordjura zur Schweiz. Man hätte in dieser Logik auch gern das katholische Nordsavoyen beigefügt, doch das protestantische Genf wehrte sich dagegen. Sinn und Zweck dieser Neutralität war es, einen Puffer zwischen Frankreich und Österreich-Ungarn zu schaffen, der in der Lage ist, kriegerische Angriffe abzuwehren und damit ein von keiner der beiden Mächte beanspruchtes Gebiet inmitten Europas zu schaffen.

Bewährung, Zweifel und Widersprüche

Diese Pufferfunktion hat sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert bewährt. Nach der Erstarkung Preussens, der Bildung des deutschen Reiches und der Einigung Italiens erweiterte sich die Neutralität zur Abgrenzung der jungen liberalen Demokratie gegenüber den europäischen Monarchien, die alle im wesentlichen vergleichbare Prozesse der Konstitutionalisierung durchmachten und sich ideologisch nicht grundsätzlich voneinander unterschieden. Von daher war es sinnvoll, dass sich der junge liberale und demokratische Bundesstaat in mitten Europas aus den Händel der europäischen Monarchien und Kolonialmächten heraushielt und die Erhaltung des Gleichgewichts auf dem Kontinent anders als in früheren Jahrhunderten Grossbritannien überliess. Die Neutralität schützte das Gedeihen des jungen Bundesstaates. Sie war weder für Gottfried Keller noch für Konrad Ferdinand Meyer ein Problem. Die Schweiz überlebte dank ihrer Neutralität namentlich den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 unbehelligt, obgleich sich bereits hier die Relevanz demokratischer Werte gegenüber autoritären Strukturen anbahnte.

Die Neutralität überlebte den Ersten Weltkrieg und die Gefahr einer Spaltung von Deutsch- und Westschweiz, deren Einheit Karl Spitteler in seiner berühmten Rede zum schweizerischen Standpunkt beschwor. Die ideologische Auseinandersetzung zwischen einem demokratischen Frankreich und England auf der einen Seite, und einem monarchisch-autoritären Deutschland und Österreich-Ungarns stand hinter dem Interesse zurück, die sprachliche und kulturelle Spaltung der Schweiz zu verhindern, das Land zu einigen und handlungsfähig zu behalten. Die Schweiz setzte sich nach dem Krieg für die Schaffung des Völkerbundes und einer differenziellen Neutralität ein, welche die Teilnahme an Sanktionen auch als neutrales Land ermöglichte. Sie nahm davon wieder Abstand, als der Völkerbund zufolge der Austritte Deutschlands, Italiens und der Sowjetunion ihre Funktion als Garant multilateraler Sicherheit nicht mehr wahrnehmen könnte. Die Schweiz kehrte ungeachtet der ideologischen Spaltung des Kontinents zur integralen Neutralität zurück.

Die neutrale Schweiz überlebte den Zweiten Weltkrieg und die ideologische Auseinandersetzung materiell weitgehend unbeschadet. Sie lieferte beiden Seiten Waffen und Rüstungsgüter, vorab Nazideutschland. Nach anfänglichen Erfolgen ihrer Flugwaffe in der Behauptung des schweizerischen Luftraumes ordnete der Bundesrat Zurückhaltung an und band die mutigen Fliegerstaffeln zurück. Gleichzeitig wurden alliierte Bomber im Überflug beschossen. Die Schweiz nahm in ihrer Staatsräson nicht offiziell Stellung in der ideologischen Auseinandersetzung zwischen liberaler Demokratie und Totalitarismus, Faschismus und Kommunismus. Sie wahrte ihre Neutralität und liess ganz wesentlich andere ihre Werte und damit auch das Überleben und Fortbestehen der Schweiz verteidigen. Manch alliierter Soldat hat sein Leben auch für die Schweiz gelassen. Man kann sich ausdenken, was aus der demokratischen Schweiz geworden wäre, hätte die Achsenmächte den Krieg für sich entschieden. Die Neutralität hätte das Land ebenso wenig wie Belgien und die Niederlande retten können. Das Territorium der Schweiz war im Kriege interessant als nachrichtendienstliches Zentrum und Zufluchtsort für alliierte Flugzeugbesatzungen. Dies stützte auch das Interesse der Alliierten an einer neutralen, unbesetzten Schweiz. In vollem Masse aber zeigte sich erstmals, dass sich die Neutralität als Staatsräson und Überlebensstrategie mit der Notwendigkeit, die Demokratie gegenüber Autokratien und Diktaturen zu verteidigen, nicht vereinbaren lässt.

Die Neutralität verlangt keine Gesinnungsneutralität. Sie setzt offenen Parteinahmen der Regierung in der Umsetzung aber enge Grenzen. Sie führt in unüberwindbare Widersprüche zwischen demokratischer und rechtstaatlicher Gesinnung und einer Staatsräson, welche diese Werte in den Aussenbeziehungen weitgehend neutralisiert und klare Stellungnahmen und Parteinahme und vor allem rechtzeitige, präventiv wirksame Allianzen ausschliesst. Hier zeigt sich, dass das Neutralitätsrecht die Verteidigung des Landes behindert. Vorgängige Absprachen mit ausländischen Armeen widersprechen ihr und verhindern eine rechtzeitige Zusammenarbeit. Der britische Feldmarschall Montgomery beurteilte die Kampfkraft der Schweiz nur vier Jahre nach Ende des Aktivdienstes als ungenügend für die Selbstverteidigung und Allianzfähigkeit. Nach einer eingehenden Inspektion durch die britische Armee im Jahre 1949 fiel das Urteil ernüchternd aus: «The swiss army, it is present state, is almost useless» (zit. nach NZZ vom 18.2.2019). Die Konzeption der Landesverteidigung und die Abwehrdoktrin von 1966 Jahre verstärkten zwar die Schlagkraft, litten aber lange unter einer ungenügenden Feuerkraft gegenüber mechanisierten Verbänden. Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zerfall der Sowjetunion wurde die Armee so stark reduziert, dass eine nachhaltige eigenständige Verteidigung des eigenen Territoriums der neutralen Schweiz heute nicht möglich ist. Die bewaffnete Neutralität kann ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen.

Noch grundsätzlicher sprechen die Entwicklungen des modernen Völkerrechts gegen die Neutralität. Das mit dem Bryon-Kellogg Pakt 1930 zwischen Frankreich und den US eingeführten Angriffsverbot im Völkerecht fand seine Verankerung in der Charta der Vereinten Nationen. War früher militärische Gewalt als Fortsetzung der Politik ein rechtmässiges Mittel, verpflichtete die UN die Staatengemeinschaft auf die friedliche Streitbeilegung. Allen Staaten, und nicht nur Neutralen, ist militärische Aggression verwehrt. Ein Angriff ist sodann nicht nur ein Angriff auf das betreffende Land. Es löst das Recht der Selbstverteidigung des angegriffenen, aber auch der gesamten Staatengemeinschaft unter Art. 51 der UN Charta aus. Die Neutralität steht daher grundsätzlich mit der Idee der kollektiven Selbstverteidigung im Widerspruch. Das Neutralitätsrecht der Haager Konventionen von 1907 entstand im Zeitalter gleichgestellter und ideologisch weitgehend gleichgesinnter Staaten und Kolonialmächte. Es wurde durch das System der kollektiven Selbstverteidigung überholt. Diese Unvereinbarkeit ist einer der Gründe, weshalb die neutrale Schweiz den Vereinten Nationen so spät beitrat. Ihr Vorbehalt der Neutralität in der Beitrittserklärung vermag die grundlegende Unvereinbarkeit mit der Charta nicht zu beseitigen und erklärt die zahlreichen Schwierigkeiten, mit denen die Neutralitätspolitik seit im Kalten Krieg bis in die Gegenwart immer wieder konfrontiert wurde.

Kosten der Neutralität und Vereinsamung

Die Neutralität im Zweiten Weltkrieg hatte in der Nachkriegszeit einen hohen Preis. Dieser zeigt sich eindrücklich in den Werken von Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt, die als Exponenten einer geistigen Schweiz mit vielen andern an diesem Erbe litten und das Unbehagen im Kleinstaat mit Max Imboden zum Ausdruck brachten. Die Fortsetzung der Neutralität führte die Schweiz in die aussenpolitische Einsamkeit. Die Siegermächte setzten die neutrale Schweiz unter Druck und verpflichteten sie zu Reparationsleistungen. Die Schweiz stand nicht auf der Seite der Sieger und musste dies bezahlen. Die Alliierten verweigerten ihr vorerst den Beitritt zu den Vereinten Nationen, obgleich sie Gründungsmitglied des Völkerbundes war. Machiavelli lehrt uns, dass der Neutrale immer auf der Verliererseite steht. Er hatte aus diesem Grunde davon abgeraten.

Andere Beschränkungen waren als Gegenreaktion selbst gewählt durch eine extensive Auslegung der Neutralität als Neutralitätspolitik. Sie prägte die Mentalität der Schweiz. Je weniger Aussenpolitik, umso besser, lautete die Devise. Und Aussenpolitik war essentiell Wirtschaftspolitik, und dies am besten unter der Flagge der Neutralität. Die Politik war so in den 1950 und 1960iger Jahren der Auffassung, dass diese einen Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ausschloss. Diese Haltung beeinflusst und erschwert die Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union bis heute.  Sie ist wesentlich dafür verantwortlich, dass sich die Schweiz bislang am europäischen Projekt der politischen Einigung nicht beteiligt. Mit Ausnahme der OEEC (heute OECD) verzögerte sich der Beitritt zu den wichtigsten multilateralen Organisationen. Das gilt für GATT, Weltbank und IMF und wie gesagt für die UNO.

Gleichzeitig verhinderte die Neutralität in ihrem Kernbereich eine wirksame Landesverteidigung. Obwohl allen klar ist, dass sich die Schweiz militärisch im Alleingang nicht nachhaltig durchsetzen kann, verunmöglichte sie weiterhin wirksame präventive militärische Kooperation mit den europäischen Nachbarn und mit den USA im Rahmen der NATO. Das Ideal der Schweiz als Igel im Réduit stand ideologisch im Kalten Krieg im Zentrum der Landesaustellung von 1964 und prägte erneut das Nationalbewusstsein. In den Stellvertreter-Kriegen der USA, die zumeist als verdeckte und unüberschaubare Bürgerkriege ohne klare Frontlinien ausgetragen wurden, blieb die Schweiz neutral, obgleich ihre wirtschaftspolitischen Interessen und ihre Gesinnung klar auf Seiten des Westens lagen. Das gilt für Vietnam, für Irak und Afghanistan, für Ex-Jugoslawien wie zahlreiche blutige Konflikte in Afrika. Die Möglichkeit, mit allen Geschäfte machen zu können überwog ungehindert und prägte die Staatsräson. Die frühe Anerkennung der Volksrepublik China verschaffte der Schweiz einen wichtigen Vorteil in der Öffnung chinesischer Märkte und für Investitionen. Die neutrale Schweiz leistete keinen Beitrag zur Überwindung der Apartheid und Einführung der Demokratie in Südafrika.

Die Neutralität erlaubte nach dem Ende des Kalten Krieges die weitgehende Demontage der Armee und führte zu ihrer Unfähigkeit, im Rahmen eines europäischen Konfliktes einen dem Land und seiner Wirtschaftskraft angemessen Beitrag zu leisten. Man verliess sich auf die geographische Lage. Die Schweiz profitierte von der NATO und nutzte sie als Free Rider und Trittbrettfahrerin inmitten Europas. Entsprechend konnten die Militärausgaben drastisch gesenkt werden. Sie betragen heute 0.7% BSP und liegen weit unter den Anforderungen der Allianz. Die Schweiz leistet heute keinen wesentlichen Beitrag zur Verteidigung Europas. Sie geht noch heute davon aus, dass Sicherheiten der NATO ohne Verpflichtung zur kollektiven Verteidigung möglich sein werden. Gleiche Vorstellungen bestehen in Bezug auf die sich abzeichnende sicherheitspolitische Entwicklung im Rahmen der europäischen Integration. Das mag schlau sein. Klug ist es nicht, weil es der Reputation und Glaubwürdigkeit unseres Landes schadet. Selbst im humanitären Bereich fehlen heute die Mittel und der Wille, militärische Mittel in Krisengebieten zur Friedenssicherung zur Verfügung zu stellen. Die Schweiz stellte bislang keine Blaumhelm-Truppen im Rahmen der UNO für die Interposition. Sie beschränkte diesbezüglich ihr Engagement im Kosovo im Rahmen der Zusammenarbeit mit der NATO. Zur Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen der Responsibility to Protect (R2P), notfalls im Verbund mit militärischen Mitteln, ist die humanitäre Schweiz heute nicht in der Lage. Eine aktive Neutralitätspolitik der humanitären Schweiz müsste anders aussehen, um glaubwürdig zu sein und die Anerkennung der Staatenwelt zu sichern.

Die Neutralität hat die Schweiz im Rahmen der Pax Americana der Nachkriegszeit und des Gleichgewichts des Schreckens schrittweise in die politische Isolation geführt, die man gerne mit dem wirtschaftlichen Erfolgsmodell zu überdecken sucht. Sie machte sie wesentlich zum Sonderfall, auf den sie sich gemeinsam mit ihren Werten des Föderalismus und der direkten Demokratie beruft. Die Schweiz ist in Europa zur Aussenseiterin geworden, die auf dem internationalen Parket nicht das Gewicht hat, das sie haben könnte, um ihre Interessen wirksam durchzusetzen und auf politischer Ebene eine kreative Rolle in der Lösung europäischer und globaler Probleme zu leisten. Die Neutralität hat das Land politisch marginalisiert. Während die Schweiz wirtschaftlich, kulturell und in der Wissenschaft seit der Gründung des Bundesstaates ein weltoffenes Land ist, wurde sie aussenpolitisch immer mehr zur quantité négligable. Man schätzt zwar ihre Beiträge, ihre Leistungen und ihre Zuverlässigkeit, begegnet ihre aber höflich mit benign neclect. Ihre aktive aussenpolitische Rolle beim Aufbau internationaler Organisationen am Ende des 19. Jahrhunderts hat sie weitgehend verloren; Ausnahmen bilden bestätigen die Regel. Sie ist trotz ihrer wirtschaftlichen Leistung nicht ständiges Mitglied der G-20. Sie hat Mühe, ihre Interessen auf dem internationalen Parket wirksam einzubringen und durchzusetzen und damit ihr Überleben langfristig zu sichern.

Die Neutralität hat somit das politische Potential der Schweiz zugunsten aussenpolitisch ungehinderter wirtschaftlicher Tätigkeit ihrer Unternehmungen und der Exportwirtschaft zurückgebunden. Das ging im Zuge der Globalisierung noch so lange gut, als schweizerische Auslandinvestitionen und der Aussenhandel ungeachtet der unterschiedlichen politischen Systeme florierten und die Notwendigkeit einer wirksamen Menschenrechtspolitik gerade auch zum langfristigen Schutz schweizerischer Interessen als entbehrlich erschien. Mit der zunehmenden Polarisierung der Welt hat sich dies verändert, am deutlichsten vorerst im Verhältnis zur Volksrepublik China. Grundwerte lassen sich im Verhältnis zu autoritären Staaten nicht mehr länger unter Rekurs auf die Neutralität verdrängen. Der Angriff auf die Ukraine bringt dies in aller Deutlichkeit zu Tage. Er lässt das Dilemma zwischen Staatsräson und Gerechtigkeit schmerzhaft spürbar werden.

Die Schweiz verurteilte zu Recht den offenen Angriffskrieg Russlands vom 24. Februar 2022 als Verletzung der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts. Sie übernahm die Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union. Gleichzeitig nimmt sie an der kollektiven Verteidigung gemäss Art. 51 der Charta nicht teil. Die Regierung wendet das Neutralitätsrecht auf restriktive Weise an. Das EDA verbietet eigenmächtig den Überflug kanadischer Lieferungen an andere NATO Staaten, obgleich diese neutralitätsrechtlich nicht Kriegspartei sind. Das SECO musste in Anwendung strenger Waffenexportregelungen die Verwendung schweizerischer Panzermunition in der Ukraine verbieten, obgleich in diesem gleichen Lande eine grosse Mehrheit hofft, dass Russland in seine Grenzen und Schranken verwiesen werden kann. Sie bezieht gleichzeitig Öl- und Gaslieferungen aus Russland. Sie unterstützt damit die nachhaltende Finanzierung der russischen Armee, ohne dass in Überlegungen der Neutralität gegenüber den Kriegsparteien einfliessen würde. Sie verstrickt sich mit der Neutralität in unlösbare Widersprüche, die sich mit dem Gewissen einer demokratischen Nation nicht vereinbaren lassen. Daran ändert die neue Terminologie der kooperativen Neutralität nichts. Lässt sich die Neutralitätspolitik zwar dehnen, so verwehrt das Neutralitätsrecht weiterhin die Arbeit in militärischen Allianzen im Rahmen der NATO und der EU und die hier notwendige Übernahme von Beistandsverpflichtungen zur Sicherstellung einer wirksamen Verteidigung Europas und damit auch unserer direkten Demokratie und Verfassung.

Notwendiger Abschied

Der offene Landkrieg in der Ukraine führt uns endgültig vor Augen, dass die Neutralitätspolitik der Schweiz und das Neutralitätsrecht im 21. Jahrhundert mit den grundlegenden Zielen der Verfassung und unserem Staatsverständnis nicht mehr vereinbar sind. Die Uneinigkeit der alten Eidgenossenschaft wie auch die Pufferfunktion in Europa sind Geschichte, ebenso machtpolitische Auseinandersetzungen europäischer Monarchien. Die Neutralität im Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg leistete keinen Beitrag zur Wahrung der Demokratie. Heute ist die Welt erneut geprägt von klassischen ideologischen Auseinandersetzungen zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und der Herrschaft von Diktatoren und Tyrannen.

Das Überleben der Schweiz als direkte Demokratie und damit auch ihres relativen Wohlstandes hängt davon ab, ob sich Demokratie und Rechtstaat in der kommenden Epoche werden durchsetzen und behaupten können. Die Aussenpolitik der Schweiz muss so ausgestaltet werden, dass hier ein dem Land angemessener Beitrag in Europa  geleistet werden kann. Sie muss so ausgestaltet werden, dass die Glaubwürdigkeit und Wahrnehmung der Schweiz als verlässlicher Partner in diesen Auseinandersetzungen gewahrt wird. Die Neutralität war und ist nur so viel wert, wie sie von der Staatengemeinschaft als nützlich beurteilt und anerkannt wird. Ihre im Wienerkongress von 1815 geschaffenen Grundlagen haben sich überlebt und müssen einer neuen Aussenpolitik in Europa und der Welt Platz machen. Das ist heute ein Akt der Selbstbestimmung, der im Rahmen des Völkerrechts möglich. Niemand kann die Schweiz rechtlich daran hindern, ihre Neutralität aufzugeben. Im Gegenteil, die europäischen Demokratien werden die Schweiz in ihrem Kreis willkommen heissen.

Man wird einwenden, dass die Schweiz mit der Neutralität wirtschaftlich gut gefahren ist und sie dieser ihren Wohlstand mitverdankt. Man wird geschichtsvergessen einwenden, dass die immerwährende und bewaffnete Neutralität zur Genetik der Schweiz, ihrer Identität und dem Sonderfall gehört. Man wird einwenden, dass mit ihrer Aufgabe der damit die guten Dienste nicht mehr möglich sind. Das trifft alles so nicht zu. Die Neutralität der Schweiz hat ihre historischen Gründe in der Schwäche der alten Eidgenossenschaft und in den Interessen Europäischer Mächte, die heute anders gelagert sind und keinen Puffer mehr in mitten der EU brauchen. Die Geschichte lehrt, dass sie die Selbstverteidigung nie zu garantieren vermochte. Und gute Dienste werden nachgesucht, wenn sie im Interesse der betreffenden Staaten liegen. Sie sind nicht an die Neutralität gebunden. Vergleichbare Staaten wie Norwegen beweisen, dass eine aktive Aussenpolitik auch im Rahmen der NATO Mitgliedschaft möglich ist, ja durch diese auch ein erhöhtes Gewicht erlangen kann. Übrig bleibt die Neutralität als Mentalität und Mythos und als ein eigennütziges Geschäftsmodell der exportabhängigen Schweiz, das heute moderner Staatsräson und den Landesinteressen widerspricht und zunehmend auch die Wirtschaft in Schwierigkeiten bringt.

Der Abschied von der Neutralität als eine heilige Kuh und Teil schweizerischer Tradition und Identität wird nicht einfach sein. Die Geschichte prägt die Mentalität und das öffentliche Bewusstsein, das wesentlich aus den Erfahrungen der Weltkriege und der Verschonung des Landes vor Zerstörung beruht. Dennoch ist ein Abschied aus den genannten Gründen notwendig um die künftige Existenz der Schweiz und ihre Stellung in der Welt zu sichern. Anders als in der Frage der Souveränität geht es nicht darum, die Neutralität neu zu definieren. Das ist erstens eine Frage der Ehrlichkeit. Kein Volk und kein Land kann über längere Zeit in den Aussenbeziehungen seine grundlegenden Werte verleugnen unter Hinweis auf die Neutralität. Kein Land kann mit einer fortgesetzten Lebenslüge überleben, die heutige Rahmenbedingungen verkennt. Kein Land kann so seine innere Würde und den Respekt in der Staatengemeinschaft wahren. Es ist zweitens eine Frage der Sicherheit. Kein Land kann heute seine Sicherheit und den Schutz der Demokratie im Alleingang gewährleisten. Die Neutralität der Schweiz steht dieser Einsicht diametral entgegen. Die Neutralität war zentral und wichtig im 19. Jahrhundert. Mit dem zweiten Weltkrieg hat sie ihre Legitimität, ihren Sinn und Zweck verloren.

Wir alle müssen uns dieser Auseinandersetzung stellen. Das Völkerrecht und die eigene Verfassung erlauben uns dies und stellen keine Hindernisse in den Weg. Verfassungsrechtlich wird die Neutralität in der Präambel der Bundesverfassung nicht erwähnt. Sie gehört nicht zum Zweckartikel der Eidgenossenschaft in Art. 2 BV. Ebenso wenig wird sie in den Zielen der Aussenpolitik in Art. 54 BV aufgeführt. Ihre Erwähnung in Art. 173 Abs. 1 BV erfolgt im Rahmen der Befugnisse der Bundesversammlung. Das gleiche gilt in Art. 185 Abs. 1 BV für den Bundesrat. Die Neutralität ist verfassungsrechtlich lediglich ein Mittel, um die vorgenannten Ziele der Verfassung sicherzustellen: Den Schutz der Freiheit, die Rechte des Volkes, die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes, seine Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung und den inneren Zusammenhang und die kulturelle Vielfalt. Daran ist sie zu messen. Neutralität ist Mittel zum Zweck, und wo das Mittel dem Staatszweck nicht mehr dienen kann, verliert es seine Bedeutung auch in den genannten Kompetenzbestimmungen. Bedarf die Wahrung der Demokratie, der Unabhängigkeit und Freiheit einer kollektiven Sicherung und Verteidigung in einer bipolaren Welt, muss die Neutralität zurückstehen und einem neuen Ansatz weichen, der das Überleben des Landes und seiner Werte unter veränderten Verhältnissen abzusichern vermag. Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

* Prof. Dr. iur. Dr h.c. mult., emeritierter Ordinarius für Europa- und Wirtschaftsvölkerrecht an der Universität Bern; Präsident der Vereinigung La Suisse en Europe. Ich danke Christian Etter, Jean-Daniel Gerber, André Holenstein, Philippe Nell und Daniel Woker bestens die Durchsicht des Textes. Der Beitrag gibt ausschliesslich die persönliche Auffassung des Autors wieder.

News_495x400

Philippe G. Nell: « Relations avec l’UE : un présent marqué par le passé. Une référence de choix : Documents diplomatiques suisses 1991 »

Philippe G. Nell*, Ambassadeur honoraire, Membre du Comité de l’Association la Suisse en Europe et du Conseil de la Fondation Jean Monnet pour l’Europe

Le centre de recherche Documents diplomatiques suisses (Dodis) a publié au début de l’année un ouvrage intitulé « Diplomatische Dokumente der Schweiz Documents diplomatiques suisses  Documenti diplomatici svizzeri » comprenant 62 documents émanant de divers organes de la Confédération couvrant l’année 1991, la période de protection légale de 30 ans ayant expiré. Cet ouvrage est accessible gratuitement par voie électronique ainsi que tous les documents qui y sont publiés et référenciés dans de nombreuses notes de bas de page (DDS 1991 | Dodis).

Parmi les documents publiés, 15 portent sur les négociations de l’Espace économique européen. Chacun d’entre eux dispose d’un bref résumé et de notes de bas de page renvoyant à d’autres documents, portant le nombre total de documents cités et directement accessibles sous forme de PDF à plus de 300. Le soussigné les a classés chronologiquement avec leur cote de référence et une brève mention de leur contenu. Des séries de documents spécifiques ont aussi été classés sous des thèmes clés dont « adhésion à la CE » et « libre circulation des personnes ».

Les 15 documents publiés dans les Documents diplomatiques suisses de 1991 concernant les négociations sur l’Espace économique européen sont les suivants :

  • Ausserordentliche Sitzung des Bundesrats zu den Verhandlungen über ein Verkehrsabkommen mit der EG, 25.03.1991.
  • Le Président de la Confédération F. Cotti au chef du DFEP, le Conseiller fédéral J.-P. Delamuraz sur les négociations EEE (Dans une lettre adressée à M. J.-P. Delamuraz, F. Cotti partage ses doutes sur le processus, les négociations sont vécues comme une suite d’humiliations ; il pose la question d’abandonner l’EEE et d’adhérer directement à la CE), 28.03.1991.
  • Discussion du Conseil fédéral sur les négociations sur l’EEE. (Le Conseil fédéral est sceptique s’agissant des chances de succès lors d’une votation populaire), 22.04.1991.
  • Gespräche des Vorstehers des EDA, Bundesrat R. Felber, mit dem deutschen Aussenminister Genscher in Bern (La République fédérale allemande est intéressée à un rapprochement de la Suisse vers la CE), 06.05.1991.
  • Discussion du Conseil fédéral sur l’intégration européenne (Malgré la dernière proposition inacceptable de la CE, la Suisse doit poursuivre les négociations ; le Conseil fédéral n’est pas uni sur la portée à donner au traité), 14.05.1991.
  • Entretiens du Président de la Confédération F. Cotti et du Conseiller fédéral J.-P. Delamuraz avec le Président français F. Mitterrand à Lugano (La France maintien une position ferme face aux hésitations suisses dans le dossier de l’EEE), 10.06.1991.
  • Gespräch von EVD-Staatssekretär F. Blankart mit dem Generaldirektor für Aussenbeziehungen der EG, H. Krenzler, in Paris (Die Schweiz verfüge «across the board» über ein Modernitätsdefizit von 30 Jahren. Ein Beitritt der Schweiz könne nur mit dem Zwischenschritt via EWR vollzogen werden), 26.06.1991.
  • Argumentarium der Arbeitsgruppe Eurovision des EDA für einen EG-Beitritt der Schweiz (Katalog von Argumenten für einen EG-Beitritt und wie mögliche Gegenargumente entkräftet werden können), 31.07.1991.
  • Exposé liminaire du Chef du DFAE, le Conseiller fédéral R. Felber, à la Conférence des ambassadeurs, 20.08.1991.
  • Exposé du Directeur du 3ème Département de la BNS, le Directeur général Zwahlen à la séance du Comité de banque du 23 août 1991 à Zurich sur la Situation économique et monétaire.
  • Note de discussion du DFEP et du DFAE au Conseil fédéral sur la question d’une adhésion de la Suisse à la CE (Argumentation en faveur d’une adhésion rapide pour participer aux transformations prévues par la CE), 18.09.1991.
  • Sitzung des Interdepartementalen Ausschusses für die europäische Integration über den EWR-Vertrag (Der Bundesrat muss einen Grundsatzentscheid über den EWR und einen EG-Beitritt treffen), 30.09.1991.
  • Ausserordentliche Sitzung des Bundesrats zum EWR-Vertrag und zum Beitritt der Schweiz zur EG (Trotz seinen Schwächen wird der EWR als wichtige Etappe einer Schrittweise Annäherung der EG eingeschätzt), 19.10.1991.
  • Séance de la Commission des transports et du trafic du Conseil des Etats sur l’Accord de transit avec la CEE (Présentation des principaux points de l’Accord par le Conseiller fédéral A. Ogi), 04.11.1991.
  • Séance de la Commission des affaires étrangères du Conseil des Etats sur le résultat de l’EEE (L’acceptation de l’Accord sur l’EEE et l’objectif d’adhésion à la CE sont salués), 27.11.1991.

L’année 1991 a été marquée par la conclusion des négociations sur l’EEE au niveau politique le 22 octobre à Luxembourg et la décision du Conseil fédéral de fixer l’adhésion à la CE comme objectif de sa politique d’intégration. Depuis que l’administration suisse reconnut l’impossibilité d’obtenir un régime de codécision équilibré en février 1991, l’option de l’adhésion ne cessa de gagner en importance. Elle seule aurait permis de participer pleinement aux décisions conduisant à de nouvelles règles pour le marché intérieur.

Les documents diplomatiques désormais disponibles méritent une lecture attentive car ils concernent les trois options stratégiques auxquelles la Suisse et actuellement confrontée : a) le renforcement des relations institutionnelles avec l’Union européenne selon un modèle s’apparentant à celui de l’Accord sur l’Espace économique européen ; b) une adhésion de la Suisse à l’Union européenne ; c) l’érosion de la voie bilatérale.

Les débats au sein de l’administration suisse en 1991 avec leurs doutes, leurs inquiétudes et leurs critiques sur le régime de l’EEE sont très utiles afin de mieux comprendre la situation actuelle de la politique d’intégration de la Suisse et ses contraintes.

Au cours des 30 dernières années, la Suisse a bien progressé avec l’UE par le biais des accords bilatéraux I et II, même si près de 10 ans se sont écoulés entre le lancement du processus des bilatérales I et leur entrée en vigueur.

La difficulté pour la Suisse de franchir le palier supérieur d’un encadrement institutionnel rigoureux des accords bilatéraux liés au marché intérieur de l’UE a de profondes racines. Celles-ci peuvent être mieux perçues en parcourant les procès-verbaux des séances du Conseil fédéral et les documents internes de l’administration.

* Philippe G. Nell a assumé la fonction de secrétaire du Groupe de direction des négociations sur l’EEE pour la délégation suisse participant aux négociations au niveau des chefs négociateurs et des ministres. Il a notamment publié un ouvrage sur le déroulement des négociations vu de l’intérieur : Suisse-Communauté Européenne. Au cœur des négociations sur l’Espace économique, Economica (Paris) et Fondation Jean Monnet pour l’Europe (Lausanne), 2012 (422 p.).

Medienmitteilung: « Mit dem klaren Bekenntnis zu Schengen untermauert das Schweizer Stimmvolk eine konstruktive Europapolitik »

version française ci-dessous

Die Schweizer Stimmbevölkerung hat sich heute an den Urnen deutlich für den Frontex-Ausbau und somit für den Verbleib der Schweiz bei den Abkommen von Schengen/Dublin ausgesprochen. Einmal mehr haben die Schweizerinnen und Schweizer damit gezeigt, dass es hierzulande klare Mehrheiten für eine konstruktive Europapolitik gibt und diese vom Souverän auch eingefordert wird. Die Mitglieder der Allianz von stark+vernetzt freuen sich über dieses eindeutige Signal. Nun muss die konstruktive Europapolitik der Schweiz fortgesetzt werden und der Bundesrat bleibt gefordert, die aktuelle Blockade so rasch wie möglich zu lösen.

Das Schweizer Stimmvolk hat heute deutlich dem Ausbau der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache Frontex und damit einer verbesserten rechtlichen Grundlage sowie dem verstärkten Schutz der Grundrechte von Migrantinnen und Migranten zugestimmt. Da es sich um eine Weiterentwicklung des dynamischen Schengen-Besitzstands handelt, ist dieser Entscheid auch als Votum für den Verbleib der Schweiz bei den Abkommen von Schengen und Dublin zu werten. Die Stimmberechtigten anerkennen den Wert der europäischen Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit, Reisefreiheit und Asylpolitik und haben mit ihrer deutlichen Ja-Mehrheit klargemacht, dass diese auch in Zukunft weitergeführt werden soll. Das Abstimmungsresultat ist aber auch mit Blick auf die aktuelle Blockade in der Schweizer Europapolitik von grosser Bedeutung. Die Schweiz hat mit dem heutigen Urnengang bereits zum vierten Mal innerhalb der letzten vier Jahre ein deutliches Bekenntnis für eine konstruktive Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarländern abgelegt. Sie unterstreicht damit auch, dass ein Schweizer Alleingang nicht gewünscht wird und dass die Schweiz Verantwortung in Europa übernehmen soll. Dies ist mit Blick auf die weiteren Verhandlungen mit der EU eine deutliche Aufforderung des Souveräns für eine Rückkehr zur konstruktiven Europapolitik.

Die Mitglieder der Allianz von stark+vernetzt – einem seit 2015 aktiven Bündnis von rund 80 Organisationen aus den Bereichen Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kultur und Zivilgesellschaft – werden sich auch in Zukunft für eine starke und vernetzte Schweiz einsetzen.


Les citoyens suisses ont approuvé à une nette majorité le renforcement de Frontex et donc le maintien de l’association de la Suisse aux accords de Schengen/Dublin. Une fois de plus, les Suisses ont montré qu’il existe des majorités claires en faveur d’une politique européenne constructive et que le souverain appelle de ses voeux une telle politique. C’est un signal clair dont se félicitent les membres de l’alliance « Pour une Suisse ouverte+souveraine ». Il faut poursuivre la politique européenne constructive de la Suisse et le Conseil fédéral doit s’efforcer de débloquer les relations avec l’UE le plus rapidement possible.

Les citoyens suisses ont clairement approuvé le développement de Frontex, l’agence européenne de garde-frontières et de garde-côtes et, par conséquent, l’amélioration des bases juridiques y relatives ainsi qu’une protection renforcée des droits fondamentaux des migrants. Etant donné qu’il s’agit d’un développement de l’acquis de Schengen, cette décision peut aussi se comprendre comme un vote en faveur du maintien de la Suisse dans les accords de Schengen et de Dublin. Les citoyens connaissent la valeur de la coopération européenne dans les domaines de la sécurité, de la liberté de voyager et de la politique d’asile et ont donc réaffirmé, avec une nette majorité de voix favorables, que celle-ci doit être poursuivie. La décision revêt également une grande importance vis-à-vis du blocage actuel de la politique européenne de notre pays. Aujourd’hui, la Suisse s’est clairement engagée, pour la quatrième fois en quatre ans, en faveur d’une collaboration constructive avec nos voisins européens. Ce faisant, les citoyens suisses soulignent également que faire un cavalier seul n’est pas souhaité et que notre pays entend assumer ses responsabilités en Europe. Dans la perspective des négociations à venir avec l’UE, le souverain demande ainsi clairement de revenir à une politique européenne constructive.

Les membres de l’alliance « Pour une Suisse ouverte+souveraine » – une alliance active depuis 2015 comptant quelque 80 organisations issues des milieux économiques, politiques, scientifiques, culturels et de la société civile – continueront donc à s’engager en faveur d’une Suisse forte et souveraine.