Zum Hinschied von Franz A. Blankart (1936-2021)

„ Dies festgestellt“, so schloss Franz A. Blankart regelmässig die Darlegung eines Problems, um gestützt darauf Folgerungen zu entwickeln, für die Europapolitik, für die Welthandelspolitik, für das Wohlergehen des Landes. Seine philosophische Ausbildung prägte ihn im Denken und Handeln, das stets überlegt war. Aus ihr entstammt sein berühmter Satz, der zu seinem Vermächtnis zum Verhältnis der Schweiz zur Europäischen Union wurde: „Beitrittsfähig sein, um nicht beitreten zu müssen“.

Ich verdanke ihm meine Anstellung im BAWI im Jahre 1986, zurück von Cambridge mit einem theoretischen Rucksack im Verfassungs- und Völkerrecht, und angeblich ungeeignet für die praktische Arbeit. Ich verdanke ihm meine zehn interessantesten Berufsjahre als Unterhändler in der Uruguay Runde des GATT und im Rahmen der EWR-Verhandlungen. Er brachte uns die Kunst der Diplomatie bei; vor allem die Fähigkeit, zuzuhören und zu erfassen, welche Probleme und Bedürfnisse die andere Seite hat. Wir haben ihn als Chef erlebt, der zu delegieren wusste. Ein Chef vor allem, der Vertrauen schenkte. Das hat mich am meisten beeindruckt und auch für meine spätere Tätigkeit geprägt: mit breit formulierten Aufträgen zu arbeiten, für die Ergebnisse einzustehen und dafür Verantwortung zu übernehmen. In einer von Verbänden und Parteien dominierten Landschaft war es ihm auch ein in der Bundesverwaltung seltenes Anliegen, den Kontakt mit der Wissenschaft zu pflegen und selbst sein Wissen weiterzugeben.

Wie viele von uns litt er am aufsteigenden Populismus und an der zögerlichen Europapolitik der Schweiz. Seine Krönung war die Leitung der EWR-Verhandlungen, zugleich auch seine grösste Enttäuschung, als der von ihm massgebend geprägte Vertrag am 6. Dezember 1992 scheiterte. Er blieb bei seiner Überzeugung, dass der EWR-Vertrag den Mantras und Besonderheiten der Schweiz am besten entspricht, ohne aber längerfristig einen Beitritt zur Union auszuschliessen. Anfangs dieses Jahres ist in er aller Stille von uns gegangen. Seine Persönlichkeit und sein Denken werden uns in diesen schwierigen Zeiten weiterhin begleiten. Valet!

Thomas Cottier

Das institutionelle Abkommen und der Rückhalt beim Souverän

Mit einer gewissen Regelmässigkeit wird behauptet, das institutionelle Abkommen (InstA) habe keine Zukunft. Gar vom faktischen Tod ist zuweilen zu lesen. Doch welchen Stand hat das Rahmenabkommen eigentlich in der Bevölkerung? Eine Übersicht der jüngeren Meinungsumfragen schafft Klärung und steht in einem gewissen Kontrast zur vorherrschenden Haltung in der Politik.

Das institutionelle Abkommen und der Rückhalt beim Souverän

Editorial Thomas Cottier: Zum Jahresanfang

Liebe Mitglieder der Vereinigung La Suisse en Europe

Ich hoffe, Sie haben das neue Jahr gut begonnen. Während uns die Pandemie weiterhin belastet und begleitet, ist der Zusammenbruch und das Ende des populistischen Regimes in den USA ein Grund zu grosser Hoffnung, die auch Europa und unsere Beziehungen zur Union im neuen Jahr beflügeln wird. Auf der Agenda steht die Debatte und der Kampf um das Rahmenabkommen, der sich dieses Jahr entscheiden muss. Die Fakten sind ermutigend. Wie der beiliegende Bericht von Fabian Schmid zeigt, haben sich die Umfragen stets mehrheitlich für das Abkommen ausgesprochen. PolitikerInnen und Verbände, denen das nicht passt, ignorieren diese Tatsache und behaupten weiterhin, dass das Abkommen vor dem Souverän keine Chance habe. Darin lässt sich erkennen, wer in der Schweiz regiert: Es sind gewisse Verbände und deren Funktionäre, und den Medien gelingt es nicht, dies zu durchschauen. Je mehr man sich auf die Volkssouveränität beruft, umso weniger ernst wird diese genommen. Das gilt selbst für den Bundesrat, der die klaren europapolitischen Entscheidungen von Volk und Ständen in den letzten Jahren ängstlich ignoriert. Immer noch ist er mutlos geprägt durch die Angst vor der SVP und ihren ExponentInnen. Der Einbruch des Populismus und sein wahres Gesicht, wie wir es anfangs des Jahres in Washington erfahren haben, wird auch in der Schweiz nicht ohne Wirkung bleiben. Diese Politik, welche Ressentiments, Ängste, Frustrationen, Ausländerfeindlichkeit und romantische Vorstellungen der Souveränität bewirtschaftet und damit auch in den Medien übermässig Aufmerksamkeit geniesst, hat keine Antworten auf reale Probleme, sei es die Bekämpfung der Pandemie oder die Gestaltung Europas unter Berücksichtigung der geopolitischen Entwicklungen. Die Bevölkerung merkt dies zusehends.

Wir werden auch klar den Unterschied zwischen Brexit und der Schweiz hervorheben. Die Trennung und der Handelsvertrag lassen Grossbritannien vereinfacht gesagt auf die Grundsätze im Freihandelsvertrag von 1972 mit den EFTA-Staaten zurückfallen. Der Vertrag verzichtet mit Ausnahme Nordirlands auf den Verweis auf EU-Recht und hängt in zentralen Bereichen wesentlich von einseitigen Anerkennungen der Äquivalenz ab. Er schafft damit eine ganz andere Ausgangsbasis als die bilateralen Verträge mit der Schweiz, die im Wesentlichen auf der Übernahme von EU-Recht beruhen und über die Jahre einen viel tieferen Integrationsgrad als das neue Handelsabkommen der EU mit Grossbritannien beinhalten. Das neue Handelsabkommen bildet daher lediglich den Anfang eines neuen Bilalteralismus, mit all seinen Schwierigkeiten und Frustrationen. Der Economist nannte es am 2. Januar zutreffend Britain’s Swiss Role. Pikant ist dabei, dass die Schweiz und Grossbritannien in ihren Mind the Gap Verträgen so weit wie möglich die Errungenschaften des EU-Rechts bilateral weiterführen.

Für das Jahr 2021 sind unsere Ziele damit klar. Wir werden sie im Rahmen der PSE mit Nachdruck verfolgen und regelmässig darüber auf der Website und per E-Mail berichten. Wir arbeiten daran, zeitgemässe Antworten auf die Frage der Souveränität zu geben und die oft missverstandene Rolle des Europäischen Gerichthofes in der Streitbeilegung zu klären. Wir leisten unseren Beitrag auch damit, dass wir künftige Problemfelder identifizieren, die notwendige Abkommen mit der EU verlangen und daher über die sattsam bekannten drei Themen in den gegenwärtigen Verhandlungen (Lohnschutz, Sozialrechte, Subventionen) hinausgehen. Zu diesem Zweck haben wir drei Arbeitsgruppen gebildet zu Fragen der Klimapolitik, der digitalen Wirtschaft und der Migration. In allen drei Bereichen wird eine enge Zusammenarbeit mit der Union erforderlich sein und ein Rahmenabkommen daher unentbehrliche Grundlage bilden. Es würde mich freuen, wenn Sie sich für die eine oder andere Arbeitsgruppe interessieren. Der Kontakt mit den Mitgliedern ist mir und dem Vorstand ein wichtiges Anliegen.

Namens des ganzen Vorstandes wünsche ich Ihnen in diesem Sinne ein hoffungsvolles Jahr! Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung. Durch die Pandemie bedingt werden wir die nächste Generalversammlung erneut erst im Herbst durchführen und freuen uns, Sie spätestens bei dieser Gelegenheit hoffentlich wieder live begrüssen zu können.

Mit besten Grüssen

Thomas Cottier, Präsident ASE

Neue Publikationen zum Verhältnis Schweiz-EU

Gleich zwei neue Publikationen gehen der Frage nach, wie intensiv die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union bereits ausgestaltet sind – und welche Fragen für die künftigen Beziehungen auf dem Tisch liegen.

Matthias Oesch: Schweiz – Europäische Union. Grundlagen, Bilaterale Abkommen, Autonomer Nachvollzug
Wer genau wissen will, wie die Schweiz in vielen Bereichen fast mitgliedähnlich in die EU integriert ist, systematisch europäisches Recht nachvollzieht und welche Bedeutung der institutionelle Rahmenvertrag hat, für den/die ist das neue Buch „Schweiz – Europäische Union“ von Europarechtler Matthias Oesch geradezu Pflichtlektüre. In einem Lesetipp für die Schweizerische Gesellschaft für Aussenpolitik SGA-ASPE bespricht Daniel Brühlmeier die Publikation. Hier gehts zu seinem Text auf der SGA-Webseite. Die gesamte Publikation von Matthias Oesch ist ausserdem via EIZ Publishing kostenlos zugänglich.

Matthias Finger und Paul van Baal, Beziehungen unter Strom – Die Schweiz, die Elektrizität und die Europäische Union
Je länger die Schweiz nicht auf ein Stromabkommen mit der EU hinarbeitet, je mehr verliert sie ihre einst führende Rolle im europäischen Stromnetz mit negativen Folgen für die Energieversorgung, warnen Matthias Finger und Paul van Baal in „Beziehungen unter Strom“. Sie sind aber skeptisch, dass die Schweiz von ihrer „Hinhalte“-Politik abrückt. Hier geht’s zur Rezension von Markus Mugglin auf der Webseite der SGA.

Das Rahmenabkommen und die Souveränität

Anlässlich des 1. Zürcher Europarechtstages an der rechtwissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich vom 29.10.2020 hielt ASE-Präsident Thomas Cottier einen Vortrag zu Souveränitätsfragen in Bezug auf das Rahmenabkommen.

Das Rahmenabkommen macht nach dem Scheitern des EWR-Vertrages vor 28 Jahren einen ersten und bescheidenen Schritt weg von der institutionellen Abstinenz, hin zu einem kooperativen Souveränitätsverständnis in der gemeinsamen Sorge für Frieden und Wohlfahrt in Europa, die allein der Souveränität ihren Sinn und ihre Legitimation in der Region verschafft. Die Schweiz kann dabei an den eigenen Erfahrungen zwischen Bund und Kantonen in der Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben anknüpfen. Hier wie dort geht es um die Frage, wer am besten in der Lage ist, die öffentlichen Güter herzustellen, welche Frieden und Wohlfahrt garantieren. Darüber kann man vernünftig streiten, gleich wie bei den Aufgabenteilungen zwischen Bund und Kantonen, denen Debatten vorangingen und die in demokratischen Abstimmungen entschieden wurden. Hier muss auch der eigentliche Kern der Souveränitätsdebatte liegen. Nicht in Schlagworten um das letzte Wort, sondern um das Ringen nach Lösungen, die Frieden und Wohlfahrt im ursprünglichen Sinne in Europa am besten und immer wieder herstellen können. Die Debatte muss sich, mit andern Worten, von den Kategorien der äusseren Souveränität in die Kategorien der inneren Souveränität in Europa bewegen.

Lesen Sie hier den ganzen Vortrag

Das Rahmenabkommen: Diskrepanz von Recht und Politik

Die Auseinandersetzung um das Rahmenabkommen ist von einer starken Diskrepanz zwischen Recht und Politik geprägt. Aus rechtlicher Sicht verbessert das Abkommen die Stellung und Einflussmöglichkeiten der Schweiz in Europa. Die Politik sieht nur Nachteile und befürchtet einen Souveränitätsverlust. Die Medien erklären das Abkommen für klinisch tot, trotz wiederholter Bestätigung des bilateralen Weges durch Volk und Stände. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären?

Hier findet sich der Text von Thomas Cottier.

Der Gastkommentar zum Rahmenabkommen mit der EU erschien in einer gekürzten Form auch im Tages-Anzeiger vom 17. Oktober 2020: Link

Replik auf Paul Aenishänslins Beitrag im Tages-Anzeiger

Paul Aenishänslin erblickt in der Kündigungsklausel von Art. 22 des Rahmenvertrages eine gravierende Schwäche des Entwurfs (https://tagesanzeiger.ch/das-rahmenabkommen-hat-gravierende-schwachstellen-757142410978). Der Beitrag verkennt, dass die EU bislang der Schweiz nie mit Kündigungen gedroht hat, anders als die Schweiz, zuletzt mit der abgelehnten Begrenzungsinitiative. Art. 22 des Rahmenabkommens basiert auf gemachten politischen Erfahrungen und verhindert Rosinenpicken mit einem späteren Ausstieg allein aus dem institutionellen Rahmen. Seine Anwendung durch die EU ist höchst unwahrscheinlich. Die Kündigung eines Assoziierungsvertrages bedarf der Einstimmigkeit im Rat und der Zustimmung des Parlaments. Sie würde höchstens erfolgten, wenn die Schweiz gravierende Rechtsverletzungen begehen würde – was nicht ihrer Politik und Vertragstreue entspricht. Die Schweiz könnte die Aussetzung und die Kündigung sodann vor dem Schiedsgericht anfechten. Das kann sie heute nicht, wenn die EU androhen würde, die Bilateralen I oder andere Verträge als Paket oder einzeln zu kündigen. Das Rahmenabkommen verstärkt die Rechtstellung der Schweiz gegenüber der EU und macht den Weg für neue und notwendige Abkommen frei. Seine Gegner verkennen das.

Thomas Cottier

Editorial Thomas Cottier: Zum Verfassungstag

Die Verfassung von 1848 begründete langfristig die  Wohlfahrt des Landes. Binnenmarkt und Freizügigkeit in Europa tun es ihr ebenso langfristig gleich. Es ist daher wichtig, die Kündigungsinitiative am 27. September wuchtig zu verwerfen. Wir sind dies dem 12. September 1848 schuldig.

Jean Zwahlen: Die EU – Unser wichtigster und verlässlichster Partner

Je constate avec perplexité que la campagne « Pour une immigration modérée » fait abstraction de la détérioration des relations internationales. Or, cette détérioration interpelle notre pays en raison de la modification des positionnements respectifs de nos principaux partenaires : les Etats-Unis, la Chine et l’UE, qui représentent 45% du commerce mondial. Voyons le problème.

Les Etats-Unis
Depuis son accession à la Présidence, Trump s’emploie à démanteler l’ordre multilatéral d’après-guerre accusant ses membres d’en détourner les règles. Il s’ensuit que les Etats-Unis se servent maintenant du multilatéralisme comme d’un menu à la carte. Ils le défendent s’ils y ont intérêt et, l’entravent dans le cas contraire. Cette pratique est particulièrement déstabilisante pour un pays de notre taille car elle foule aux pieds les principes de l’ordre juridique multilatéral qui a notamment eu pour mérite de réfréner les velléités unilatérales des grandes puissances. Ce délitement a pour conséquence que les Etats-Unis prennent des libertés à propos de traités et d’alliances qu’ils ont conclus, voire utilisent l’arme du dollar pour imposer des sanctions. La Suisse par exemple figure sur une liste grise du Trésor américain et risque d’être sanctionnée à tout moment au motif que la BNS, en « manipulant » le cours du franc génère des excédents commerciaux et courants excessifs envers les Etats-Unis. Il en découle que la Suisse ne peut plus compter, comme autrefois, sur la fiabilité des Etats-Unis et, étant désormais davantage isolée institutionnellement, elle doit agir avec encore plus de doigté.

La Chine
En 2001 le monde pensait que la Chine, en adhérant à l’OMC et à ses règles de libre échange, évoluerait vers un régime démocratique. Or, avec l’accession de Xi Jin Ping au pouvoir en 2012, c’est l’inverse qui s’est produit. Xi entend reconquérir la prééminence historique de la Chine que le colonialisme lui a ravi. Pour y parvenir  il a durci le pouvoir politique, renforcé l’autorité du Parti communiste et discrédite maintenant les valeurs libérales du système de gouvernance occidental en prônant la supériorité du régime socialiste chinois. Au plan international, la Chine tire avantage du repli multilatéral des Etats-Unis pour se donner les allures d’une puissance responsable et respectueuse de l’ordre international dont elle ne manque pas de se servir habilement pour accroître son influence, imposer progressivement ses valeurs et ses programmes : Nouvelles Routes de la Soie par exemple. En outre, la Chine s’emploie avec force moyens à se rendre autarcique dans les technologies de pointe. A cette fin, elle n’hésite pas à piller les brevets, voire à se livrer à des cyberattaques dans des domaines sensibles : santé, énergie, télécommunications etc.

Face à la Chine, la Suisse doit être particulièrement prudente pour les raisons suivantes :

  • L’ordre multilatéral que prône la Chine diffère de l’ordre libéral d’après-guerre dans quatre domaines clé au moins :
    -capitalisme étatique
    -non-ingérence dans la affaires nationales
    -propriété intellectuelle
    -droits de l’homme
  • Le régime autoritaire chinois actuel peut à tout moment faire volte- face. Il est donc moins fiable, plus aléatoire. Etant donné le recul de l’ordre multilatéral libéral  la Suisse, qui n’est pas intégrée dans un grand bloc, a perdu une partie de son pouvoir de négociation. Elle est donc plus vulnérable et doit agir avec d’autant plus de circonspection.
  • Mais, par rapport à ces incertitudes, la Suisse doit également prendre en compte :
    -l’importance du marché chinois ( 1,4 milliard d’habitants) et son développement fulgurant
    -le poids de ce marché dans nos échanges commerciaux – la Chine est déjà notre troisième partenaire derrière l’UE et les Etats-Unis.
    -l’importance croissante des investissements dans les deux sens
    -notre dépendance des chaînes de valeur localisées en Chine.

L’Union Européenne
L’UE reste fidèle au multilatéralisme libéral d’après-guerre et s’efforce de la promouvoir en concluant de nombreux accords de libre-échange reposant sur les principes de cet ordre. Mais l’UE est limitée dans ses efforts car elle doit en même temps lutter pour maintenir sa cohésion interne et affronter les tentatives de déstabilisation venant des Etats-Unis, de la Chine, de la Russie et même de la Turquie. Industriellement, l’UE est une grande puissance, mais  surtout  dans les secteurs traditionnels et moins dans les technologies de pointe. Consciente de cette faiblesse elle s’efforce de la corriger. A propos de la confrontation sino-américaine, l’UE devra procéder à des arbitrages délicats pour constituer une entité unie et solide. Ainsi, même si elle partage une partie des griefs des Etats-Unis contre la Chine, elle n’est pas en accord avec eux, notamment à l’OMC.

En outre, envers la Chine, l’UE ne forme pas un bloc monolithique car ses pays membres ont des divergences d’intérêts. Il n’en demeure pas moins, malgré les faiblesses dues à l’incomplétude de sa construction, que l’UE, pour rester une grande puissance sur la scène internationale, devra se positionner face à la confrontation sino-américaine. Elle en a les moyens, pour autant que le nouvel engagement politique de ses dirigeants reste à la hauteur des enjeux que représentent la préservation de son indépendance.

Je tiens cette indépendance pour cruciale en raison de l’intensification et de l’élargissement des champs de confrontation sino-américains. En effet, alors qu’initialement cette confrontation était bilatérale et commerciale, elle s’est ensuite étendue aux pratiques chinoises déloyales générées par le capitalisme étatique et l’inégalité d’accès au marché chinois. Cette confrontation s’est ensuite mondialisée au fur et à mesure qu’elle englobait de nouveaux domaines : la sécurité, la technologie et la santé. Bref, au point où en sont actuellement les choses, cette confrontation est désormais structurelle et irréversible, idéologique et hégémonique. C’est pourquoi, par rapports à ces défis cruciaux, il faut espérer que l’UE parvienne à uniformiser les vues de ses membres pour préserver son indépendance et éviter de tomber sous la coupe des Etats-Unis ou de la Chine. J’ajouterais que, aux risques que je viens de mentionner, s’en profile un nouveau, celui d’un découplage du monde qui pourrait forcer les Etats à devoir choisir le camp avec lequel ils entendent collaborer. Face à ce nouveau risque il faut aussi que l’UE parle d’une seule voix car, à défaut, elle se décomposerait et ses membres seraient vassalisés.

*

Au terme de ce parcours géopolitique, toile de fond de l’initiative « Pour une immigration modérée », il m’apparaît évident que la Suisse, dans la nouvelle constellation mondiale qui se dessine, est moins à même de faire cavalier seul  pour défendre ses intérêts, d’autant plus qu’elle est désormais davantage isolée institutionnellement en raison de l’affaiblissement du multilatéralisme d’après-guerre, qui fut un des piliers de sa prospérité. Il nous faut donc choisir entre les Etats-Unis, la Chine et l’UE le partenaire avec lequel nous voulons collaborer le plus étroitement. A mon sens, il ne fait pas de doute que c’est l’UE que nous devons. En  effet, comme je l’ai démontré, il y a des limites à une collaboration fructueuse tant avec les Etats-Unis qu’avec la Chine.

L’UE, malgré ses faiblesses, est et restera dans un avenir prévisible notre partenaire le plus important et le plus fiable, ne serait-ce qu’à cause des multiples affinités socio-culturelles qui nous lient. En votant le 27 septembre 2020, n’oublions pas le désastre économique qu’avait provoqué en 1992 notre refus de l’EEE. Ce vote nous en effet valu dix ans de marasme économique jusqu’à ce que l’UE consente en 1999 à nous ouvrir la voie bilatérale. Grâce à cet heureux dénouement, notre économie a rebondi et de nombreux accords ont été conclus dans l’intérêt des deux parties. Sans vouloir minimiser les enjeux du vote du 27 septembre – bien qu’à mon sens ils soient solubles – ils sont les arbres qui cachent la forêt des défis autrement plus dangereux que j’ai évoqués et pour lesquels nous avons besoin de pouvoir naviguer de concert avec l’UE.

J’espère donc que nous saurons voter dans l’intérêt à long terme de notre pays.

 

Jean Zwahlen
Ancien Ambassadeur et Directeur Général de la BNS
Membre du Comité de l’ASE

Veranstaltungsbericht: Themenabend zur Begrenzungsinitiative

Am 27. September entscheidet die Schweizer Stimmbevölkerung über die Volksinitiative «Für eine massvolle Zuwanderung (Begrenzungsinitiative)». Die Vorlage verlangt die Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union, was laut Initianten zum Ziel hat, die Zuwanderung aus den Mitgliedstaaten eigenständig regulieren zu können. Über die Gründe der Initiative, deren Konsequenzen auf die Beziehungen der Schweiz zur EU und die Schweizer Wirtschaft, haben unsere Gäste im Generationenhaus Bern intensiv diskutiert.

Den Auftakt an der unter Sicherheitsmassnahmen aufgrund der Covid-19-Pandemie abgehaltenen Veranstaltung machte Mario Gattiker, Staatssekretär des Staatssekretariats für Migration SEM. Er zeigte den Anwesenden im Detail auf, was eine Annahme der Initiative bedeuten würde. Im Unterschied zur Masseneinwanderungsinitiative von 2014 sei die Ausgangslage bei der jetzigen Abstimmung deutlich: Bei einer Annahme muss laut Initiativtext das Personenfreizügigkeitsabkommen gekündigt werden. Für die EU ist die Personenfreizügigkeit (PFZ) eine der zentralen Pfeiler, eine Neuverhandlung stelle daher eine „Mission Impossible“ dar. Gemäss Gattikers Ausführungen würden nach einer Kündigung der PFZ auch die restlichen Verträge der Bilateralen I wegfallen; dies liege an der im Abkommen integrierten Guillotine-Klausel. Diese garantieren der Schweiz einen Zugang zum Binnenmarkt, sowohl dem grössten Export- wie auch dem grössten Importmarkt der Schweiz. Ihre Kündigung hätten daher für die Schweizer Wirtschaft weitreichende Folgen. Das Referat von Staatssekretär Gattiker kann hier nachgelesen werden.

Nach dem Einführungsreferat diskutierten Regula Rytz, Nationalrätin Grüne Partei, Dr. Aliki Panayides, Geschäftsführerin SVP Kanton Bern und Professor Thomas Cottier, Präsident «Die Schweiz in Europa». Moderiert wurde die Debatte von Gion-Duri Vincenz, Bundeshauskorrespondent beim SRF.

Frau Panayides argumentierte, dass nur mit der Annahme der Initiative eine 10 Millionen Schweiz mit all den negativen Konsequenzen für die Umwelt, die Sozialwerke und die Lebensqualität verhindert werden könne. Dem entgegnete Frau Rytz mit dem bisherigen Abstimmungsverhalten der SVP im nationalen Parlament. Diese würden dort konsequent gegen eine nachhaltige Umweltpolitik und Reformen der Sozialwerke politisieren. Es sei unehrlich, wenn die Initianten jetzt genau diese Themen als Argumente für ihre Initiative ins Feld führen, so Rytz.

Für die Nationalrätin der Grünen ist klar, dass die Schweiz die Arbeitskräfte aus der EU braucht. Die Personenfreizügigkeit zusammen mit den eingesetzten flankierenden Massnahmen sicherten sowohl die Versorgung durch Fachkräfte wie auch die Löhne der Arbeitnehmer. Professor Cottier wies mit seinen Inputs vor allem auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen einer Annahme der Initiative hin. Die Initiative sei ein frontaler Angriff auf den Bilateralen Weg der Schweiz – ohne dabei eine Lösung aufzuzeigen, wie die Migrationsfrage überhaupt gelöst werden könnte.

In der anschliessenden Fragerunde mit dem Publikum zeigte sich, wie emotional die Initiative ist. Verschiedene Personen haben mit ihren persönlichen Geschichten gezeigt, dass es bei der Personenfreizügigkeit eben vor allem um Menschen geht.

Die Veranstaltung fand unter der Einhaltung von strikten Hygienemassnahmen statt und hat gezeigt, dass auch unter den erschwerenden Bedingungen fundierte und gute Diskussionen vor einem Publikum stattfinden können. Denn diese sind nötig für eine lebendige Demokratie!

Justin Grämiger, Vorstandsmitglied der Nebs Sektion Bern

 

Impressionen vom Anlass finden sich auf der Twitter– sowie der Facebookseite von La Suisse en Europe.